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					Fehler werden 
					wiederholt"Stangen ab" für Innsbrucks Obus
 
					von Karsten Müller
 
					Die Einstellung des 
					Obusbetriebes in Tirols Landeshauptstadt lassen  
					Erinnerungen und Befürchtungen wachsen, wenn man die jetzige 
					Situation in Innsbruck mit der vor rund 12 Jahren in der 
					brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam vergleicht.
					 
					"Eine Stadt kann sich keine drei 
					Verkehrsmittel leisten, und Strom ist nicht ökologisch!" Die 
					gleiche Begründung, die es in Potsdam gab, wird in Innsbruck 
					als Meinung von Politikern und "Fachleuten" verbreitet. Doch 
					vollständig unbeachtet bleibt, dass hier Synergieeffekte 
					zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln genutzt werden 
					können. Die Stromversorgung von Straßenbahn und Obus sind im 
					Prinzip identisch (die Aufgabe des zweiten Fahrdrahtes beim 
					Obus übernimmt bei der Straßenbahn das Gleis), es werden 
					sogar die gleichen Unterwerke genutzt - jedenfalls in 
					Potsdam war dies der Fall. 
					Bei der Instandhaltung können 
					sowohl die Fachleute des Dieselbusses (Bustechnik) als auch 
					die der Straßenbahn (Elektrik) eingesetzt werden. 
					Vollständig unbeachtet scheint in beiden Städten die 
					Methodik Salzburgs zu bleiben, den Busbetrieb in einem 
					eigenständigen Unternehmen zu führen und ihm eine sinnvolle 
					Ergänzungsaufgabe zu den elektrischen Verkehrsmitteln 
					zuzuweisen. 
					Gleich der Darstellung in 
					Potsdam habe ich in Zusammenhang mit Innsbruck mehrfach die 
					Behauptung gehört, dass der Fahrstrom nicht ökologisch wäre. 
					Hier wird gerne unter anderem die Verwendung von Atomstrom 
					genannt. Mit der gleichen Logik wären ja auch Straßenbahn 
					und elektrifizierte Eisenbahn nicht ökologisch. Dass der 
					elektrische Verkehr sehr wohl ökologisch ist, haben mehrere 
					Studien sowohl in Deutschland als auch in Österreich 
					bewiesen. Nicht zu unterschätzen ist hierbei die Senkung der 
					Umweltbelastung durch Abgase vor Ort. Selbst moderne 
					Dieselbusse stoßen immer noch jede Menge Schadstoffe aus, 
					und die Technik für Wasserstoff-Motoren ist immer noch nicht 
					sinnvoll kostengünstig einsetzbar. 
					"Wir 
					ersetzen den Obus durch eine Straßenbahn!"Dieses Argument wurde seinerzeit in Potsdam ebenfalls 
					verwendet, doch die Situation stellt sich heute wie folgt 
					dar: kein Meter  Straßenbahnneubau im Einzugsbereich 
					der ehemaligen Obusstrecke und auch auf Jahre keine Aussicht 
					darauf; Zerstückelung der ehemaligen Strecke in verschiedene 
					Dieselbusstrecken; erheblicher Rückgang der Fahrgastzahlen 
					im ehemals bedienten Bereich.
 
					Diese Situation befürchte ich 
					nach den bisherigen Anzeichen ebenfalls in Innsbruck. Zwar 
					sind neue Triebfahrzeuge für den etwas überalterten Bestand 
					der Innsbrucker Straßenbahn bestellt worden, doch für den 
					Ersatz der Obusstrecken durch die Straßenbahn wird es immer 
					wieder Gründe geben, diese nicht zu realisieren 
					(…Platzbedarf zu Lasten des Autoverkehrs, schwer mögliche 
					Trassierung in bestimmten, jetzt genutzten 
					Streckenabschnitten durch bauliche Zwänge usw.). In Potsdam 
					haben sogar Politiker, die sich einst für den Obus 
					einsetzten, mittlerweile keine nennenswerte Aktivität zur 
					Verlängerung der Straßenbahn gestartet wie z.B. der 
					Brandenburger Ministerpräsident Platzeck, dessen 
					Landesregierung für die Förderung solcher Maßnahmen 
					zuständig ist. 
					Als Begründung für die 
					Nichtrealisierung der Straßenbahn befürchte ich aus 
					Erfahrungen bei Einstellungen von Obusbetrieben die 
					drastisch sinkenden Fahrgastzahlen. In Potsdam gab es trotz 
					gleicher Linienführung mit Dieselbussen einen Einbruch der 
					Fahrgastzahlen auf etwa die Hälfte. Es gibt genug Fahrgäste, 
					die sehr wohl ihre Entscheidung über die Nutzung an das 
					verwendete Fahrzeug binden. Ein Obus hat einfach einen nicht 
					wegzudiskutierenden Ökobonus, und er hat ein besseres 
					Beschleunigungsvermögen. 
					"Das 
					System Obus ist nicht mehr zeitgemäß!"Dieses Argument wird noch häufig genannt, doch die aktuelle 
					Entwicklung stellt sich anders dar. Genannt sei hier z. B. 
					die Entwicklung durchaus preisgünstiger moderner 
					Obusfahrzeuge, z. B. Solaris. Die Obusse in Innsbruck 
					stammen aus dem Jahr 1991 und müssten wohl überarbeitet oder 
					durch neue ersetzt werden; die in Potsdam eingesetzten 
					Fahrzeuge waren wesentlich älter, fahren aber zum Teil immer 
					noch in Osteuropa. Bei der Fahrleitung hat man im Gegensatz 
					zu Potsdam in den letzten Jahren in Innsbruck einige 
					sinnvolle Investitionen getätigt (z.B. Umbau des 
					Bahnhofsvorplatzes), und diese sollen nun umsonst gewesen 
					sein?Der Steuerzahler zahlt es ja!
 
					
					"Warum ehemalige Betroffene die Innsbrucker warnen?" 
					Die Erfahrungen in Potsdam, wo der Kampf um den Erhalt des 
					Obusses etwa über fünf Jahre zum Teil recht emotional lief, 
					scheinen sich in Innsbruck nun zu wiederholen. Wenn man es 
					mit dem Ersatz des Obusses durch die Straßenbahn ehrlich 
					meinte, wäre der Ersatz des elektrischen Verkehrs durch 
					Dieselbusse nur für die Zeit des wirklichen Umbaus des 
					Tramnetzesgeplant. Da aber nach meinen Informationen immer 
					noch nicht das volle Planungsrecht für den Bau der 
					Straßenbahnstrecken vorhanden ist, wachsen die Befürchtungen 
					zu einer Wiederholung der Potsdamer Verkehrsgeschichte in 
					Innsbruck.
 
					Schade ist auch, dass der 
					ehemals so positiv zum Obus stehende Verkehrsbetrieb 
					Innsbruck nun nach Wechseln in der Führung - gleich der 
					damaligen Betriebsführung in Potsdam - wenig oder gar nichts 
					für den Erhalt seines Obusbetriebes (bis zum Ersatz durch 
					die Straßenbahn) tat. Erstaunlich übrigens, dass die 
					Einstellung in Innsbruck nach den Wahlen 2006 vollzogen 
					wurde. Haben da etwa Politiker Angst gehabt, dass sich die 
					Bürger an der Wahlurne rächen könnten?
 
						
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							Zum Autor |  
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							Karsten MÜLLER: 
							(Jahrgang 1965) ist gelernter Landschaftsgärtner bei 
							der Stadt Potsdam, seit der Wende im Jahr 1990 ist 
							er in verschiedenen Vereinen und Verbänden in Sachen 
							„Fahrgastpolitik“ aktiv. 1992 Mitautor eines 
							Nahverkehrskonzeptes für Potsdam mit dem Hauptziel 
							des Erhaltes des Potsdamer Obusnetzes. Er ist 
							amtierender Landesvorsitzender des 
							Berlin-Brandenburger Bahnkundenverbandes und aktiv 
							im Denkmalpflege-Verein Nahverkehr Berlin am Erhalt 
							historischer Nahverkehrsfahrzeuge (Straßenbahnen, 
							Obusse und Busse) im Berliner Umland beteiligt. |    |