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Eigenbewegung oder Fremdbestimmung der Städte
Wechselbeziehung zwischen Stadt und Umland nachhaltig gestalten
 

von Hermann Knoflacher

Dass die im letzten Jahrhundert beschleunigte Urbanisierung der Gesellschaft weiter zunehmen wird, ist zu einem gedankenlosen Mantra der Stadtplanung, des Verkehrswesens und auch der technologischen Entwicklungen aller damit mehr oder weniger zusammenhängenden Branchen geworden. Nicht bedacht wird dabei die bewegte Vergangenheit der Städte, die nicht nur aus dem Werden und Wachsen, sondern auch aus dem Vergehen der Städte – vermutlich der meisten der Menschheitsgeschichte – besteht. Das Vergehen der Städte kann innere, aber auch verschiedene äußere Gründe haben, zu denen keineswegs nur Kriege zu zählen sind. Viele Städte sind auch durch eine von der städtischen Gesellschaft nicht wahrgenommene Übernutzung der Ressourcen in ihrem engeren und weiteren Umfeld von der Erde verschwunden.

Städte als lebende, also offene Systeme sind zur Erhaltung ihrer Strukturen und Funktionen auf einen ständigen Zustrom von Energie und Ressourcen ebenso angewiesen wie auf die Absorptionsfähigkeit der Umwelt für jede Art von Verschmutzungen von Luft, Boden oder Wasser. Städte sind aber heute auch die komplexesten Systeme unserer Gesellschaft und damit auch einem allgemeinen evolutionären Prinzip alles Lebenden ausgesetzt: Je höher die Komplexität eines Systems, umso kürzer dessen Lebenserwartung. Noch nie in der Geschichte urbanen Lebens haben sich die Veränderungen der Funktionen als Folge zunächst der technisch-industriellen Veränderungen so beschleunigt wie in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Der Begriff Stadt als Ergebnis eines sozialen Prozesses einer vielfältigen Gesellschaft mit gemeinsamen Zielen und gemeinsamer Gestaltungskraft ist dabei immer mehr in den Hintergrund verdrängt worden, ebenso wie die stadterhaltenden Teile des Verkehrssystems, die Fußgänger, Radfahrer und der schienengebundene Öffentliche Verkehr. Diese Verkehrsteilnehmer führten nicht nur zur urbanen Sozialisierung über die öffentlichen Räume, sondern auch zur räumlichen Vielfalt der Strukturen und zur menschengerechten Baukultur der Siedlungen. Kennzeichen dieser Mobilität sind geringer externer Energiebedarf, sparsamer Umgang mit Grund und Boden und Mehrfachnutzungen der öffentlichen Räume, die die urbanen Strukturen zusammenhielten und nicht zerschnitten wie der Autoverkehr.
 

Beispiel fremdbewegte Stadt: Bangkok.

Quelle: Hermann Knoflacher

Stadt bedeutete daher immer den Reichtum der Nähe, heute als Erreichbarkeit im unmittelbaren Umfeld und nicht fernab – oft außerhalb der Verwaltungsgrenzen – der Städte. Die verkehrstechnische Unterscheidungsgröße zwischen Stadt und Nichtstadt ist die mittlere Geschwindigkeit der Verkehrsteilnehmer: Je geringer diese sein kann, umso lebendiger, reicher und vielfältiger – und daher auch nachhaltiger – ist eine solche Stadt. Je besser organisiert sie ist, umso mehr kann sie den Bewohnern und Betrieben auf kleinstem Raum mit dem geringsten Aufwand an Mobilität bieten. Und je schöner sie ist, umso lieber und länger halten sich Menschen in ihr auf – schenken ihr damit jene Energie, die sie zu ihrer Selbsterhaltung seit jeher gebraucht hat und auf die sie in Zukunft wieder angewiesen sein wird. Diese Tatsachen hatte man in dem Zeitalter der Verblendung und soliden Sachunkenntnis der Systemwirkungen, welche die technischen Verkehrsmittel auf den Raum ausüben, leider nicht beachtet. Man glaubte an „Zeiteinsparungen“ im System durch höhere und billige Geschwindigkeiten als Folge unbesonnener Vergeudung fossiler Energie und freute sich über die zunächst enorme Ausweitung der Erreichbarkeit durch die Autos. Dass mit der Nähe zum Abstellplatz die Nähe und der einst vorhanden Reichtum und die Vielfalt der Stadt verloren wurden, merkte man in dieser Verblendung von „noch schneller, noch weiter“ entweder viel zu spät oder gar nicht. Anstatt zu entschleunigen, wurde und wird nach wie vor beschleunigt und damit die Stadtzerstörung fortgesetzt. Die Symptome sind funktionsarme Innenstädte und ebenso funktionsarme Speckgürtel mit ständig steigendem Verkehrsaufwand. Es ist die Folge der Binsenweisheit „Steht etwas verkehrt, entsteht Verkehr“. Und die Städte betreiben diesen Selbstzerstörungsprozess durch Bauordnungen, die Funktionen und Abstellplätze räumlich zwingend aneinander binden. Damit erhält jedes so organisierte Objekt eine räumliche Freiheit, die weit über die Verwaltungsgrenzen einer Stadt hinausgeht. Die Stadt verliert ihre Gestaltungsmöglichkeiten und wird erpressbar: Sie – und nicht die Betriebe – muss sich dem Wettbewerb stellen, über dessen Ausgang nicht-demokratische Wirtschaftsmächte entscheiden. Wer sich und seine Bevölkerung am besten für die wirtschaftliche Ausbeutung anbietet, wird am höchsten gereiht. Mit dem Begriff „Smart“ lockt man die Städte heute in die industrielltechnische Abhängigkeitsfalle. Dieser zu entgehen und statt der technischen Aufrüstung wieder zum Maßstab des Menschen als eines urbanen Bürgers zu finden gelingt derzeit noch wenigen im Trommelfeuer der Lobbies. Die Summe der Individualoptimierungen in einer Stadt macht diese ebenso wenig lebensfähig wie die Erfüllung der Egoismen der Einzelzellen in einem lebenden Organismus. Beide gehen an dem zugrunde, was man als Krebs bezeichnet. Dieser Zerstörungsprozess wird nur durch ständige Energiezufuhr von außen noch überdeckt. Welche und wie viele Bewohner einer Stadt können noch überleben, wenn diese Energiezufuhr abgestellt wird – diese Frage stellt sich als Grundvoraussetzung meiner Städtebauübungen.

Nur wenn die Städte wieder ihre Souveränität über die Gestaltung ihres Territoriums zurückgewinnen, kann die urbane Entwicklung für eine nachhaltige Zukunft wieder dort fortgesetzt werden, wo sie im letzten Jahrhundert in eine Sackgasse geraten ist. Denn jede Stadt hängt von ihrem Umland ab und kann nur dann nachhaltig gestaltet werden, wenn diese Wechselbeziehung nicht verloren geht, wie dies durch die massenhafte viel zu billige Fernmobilität passiert ist. Dieser Weg kann aber nur mit den Menschen, die Fußgänger sind, mit Radfahrern, die sich mit eigener Körperkraft bewegen, und einem, von der städtischen Gesellschaft kontrollierten, Öffentlichen Verkehr aus der erzeugten Autofalle führen. Die Stabilität aller Systeme wird bei äußeren Veränderungen vor allem durch die Vielfalt der Möglichkeiten einerseits und durch den Anteil langlebiger Systemelemente bestimmt. Schienengebundener Öffentlicher Verkehr im öffentlichen Raum hat sich unter den technischen Verkehrsmitteln der beiden letzten Jahrhunderte bewährt, was jene Städte heute zu schätzen wissen, die dessen Zerstörung verhindert haben – aus welchem Grund auch immer.
 


Stadt mit Eigenbewegung: Beispiel Basel (OBEN) oder Freiburg im Breisgau (UNTEN).

Quelle: Hermann Knoflacher

Nur wenn die Städte die Bewegungen – innere wie äußere – selbst beeinflussen und beherrschen können und die Fähigkeiten dazu wieder herstellen können, werden sie in der Lage sein, die Zukunft eigenverantwortlich zu gestalten. Die urbane Gesellschaft ist der Souverän dafür, praxisfremde ideologisch indoktrinierte Bürokraten sind es nicht. Städte werden sie sich daher auch von mancher Bevormundung durch die EU-Bürokratie und ihre nationalen Helfer, die unter Bruch des Subsidiaritätsprinzips in die Gestaltung des Öffentlichen Verkehrs eingreifen, zu befreien haben. Bei etwas Hausverstand keine große Kunst, wenn man fragt, wo in der EU jene Weisen sitzen, die aus ihrer Jahrhunderte langen Erfahrung mit dem Öffentlichen Verkehr – wie zahlreiche Städte – genau wissen wollen, wie und was für eine Stadt die jeweils beste Lösung ist. „Gut gemeint“ ist meist das Gegenteil von „gut gemacht“. Es ist widersinnig, wenn Verordnungen geschaffen werden, bevor man Erfahrungen gesammelt hat. Die EU-Forschungsprogramme beweisen diese Widersprüche seit Jahren. Aber das scheint niemandem aufzufallen?

 

 

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