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Schienenliberalisierung in Europa

Ausschreibungswettbewerb im europäischen Schienenpersonenverkehr

von Sebastian Kummer und Mario Dobrovnik

Die EU betrachtet die Gewährleistung sicherer, effizienter und hochwertiger Verkehrsleistungen als wesentliches Ziel ihrer Verkehrspolitik. Dieses Ziel soll durch eine Förderung des Wettbewerbs erreicht werden. Auf der anderen Seite unterstreicht die EU aber auch die Bedeutung von (geförderten) Öffentlichen Verkehren für die Daseinsvorsorge.

Um die beiden – auf den ersten Blick konträren – Ziele zu erreichen, plant die Europäische Kommission eine neue Verordnung zur Regelung der Öffentlichen Personenverkehrsdienste auf Straße und Schiene. Die bisherigen Regelungen der EU lassen einen großen Spielraum, und entsprechend vielfältig sind die Umsetzungen des Wettbewerbs im Schienenpersonenverkehr (SPV).

Das Institut für Transportwirtschaft und Logistik (WU Wien, Prof. Kummer) hat mit seinem Team (Dresden) und inno-V (Amsterdam) in Europa existierende Formen des Ausschreibungswettbewerbs analysiert. Insbesondere sollte gezeigt werden, ob Ausschreibungen zu Angebotsverbesserungen führen können und ob sie ein geeignetes Mittel für Kostensenkungen darstellen. Überdies stellte man sich die Frage, ob der Ausschreibungsaufwand in einem vertretbaren Verhältnis zu den erzielbaren Angebotsverbesserungen steht.

Ausschreibungen führen nicht immer zu Angebotsverbesserungen und Kostensenkungen
Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass ohne eine klare (politische) Zielvorgabe für das Leistungsniveau des SPV sowohl marktorientierte Strukturen als auch die Aufgabenerfüllung durch einen staatlichen Dienstleister ineffizient sind. Das ist besonders problematisch, wenn ein marktorientiertes System mit Ausschreibungen etabliert werden soll. Es besteht die Gefahr, dass dieses System aufgrund vieler Änderungen und eines hohen Improvisationsgrads sehr teuer ist. Im Gegensatz dazu kann ein staatlicher Dienstleister durch politischen Druck und aufgrund seiner nicht nur auf Gewinnerzielung ausgerichteten Zielfunktion eher dazu gebracht werden, Anpassungen ohne die Ausweitung seiner Marge durchzuführen.

Negative Beispiele in Schweden und, zumindest was die Strategie der Dänischen Staatsbahn angeht, in Dänemark zeigen, dass widersprüchliche strategische Grundsatzentscheidungen nicht nur die Qualität des SPV-Systems negativ beeinflussen, sondern auch sehr hohe Kosten verursachen können. Für EU-Länder scheint nach bisheriger Erfahrung ein balanciertes Wettbewerbsmodell erfolgversprechend zu sein. Mag es bei einem großen Land wie Deutschland noch akzeptabel sein, dass es kein einheitliches Modell gibt, so ist es für kleine Länder nicht denkbar. Erfolgreiche Beispiele für kleinere Länder stellen die Niederlande und die Schweiz dar, die jeweils mit klar definierten Kernnetzen arbeiten, die durch den Incumbent (die jeweilige Staatsbahn) betrieben werden. Ein kleines Land, das sein SPV-System anpasst, könnte bei den strategischen Grundsatzentscheidungen in diese Richtung gehen und von den Stärken und Schwächen des Schweizer und des niederländischen Systems lernen.
 

Deutschland: Fast ein Viertel der gesamten Betriebsleistung wird durch dritte EVU erbracht. Das heißt, dass fast jeder vierte Zugkilometer durch die Wettbewerber-Bahnen gefahren wird.
Zum Vergrößern bitte Grafik anklicken!

Quelle: Ausschreibungswettbewerb im europäischen SPNV

Modernisierung der Staatsbahn – eine erfolgversprechende Option
Die Erfahrungen europäischer Länder zeigen außerdem, dass es viele gute Gründe gibt, seine eigene Staatsbahn zu erhalten und nicht zu zerschlagen. Die Strategie, die eigene Staatsbahn so zu modernisieren, dass sie einen leistungsfähigen Personenverkehr anbieten kann und ggf. im Fall von mehreren Anbietern eine Koordinationsfunktion übernimmt, scheint für kleine Länder erfolgversprechend zu sein. Die korrespondierenden Untersuchungen haben eindeutig gezeigt, dass die Abstimmung zwischen Kernnetz, Zubringerlinien und anderen Verkehrsträgern besonders wichtig ist. Gute Schnittstellengestaltung vermeidet nicht nur Effizienzverluste, sondern ermöglicht kundenorientierte Angebote und ist daher auch ein wesentliches Merkmal erfolgreicher Ausschreibungen. Eine taugliche Strategie scheint die Definition eines Kernnetzes, wie die bereits zitierten Beispiele aus den Niederlanden und der Schweiz zeigen, wobei die Niederlande auf den Zubringerstrecken bereits starken Ausschreibungswettbewerb etabliert haben. Im Falle von Ausschreibung ist die Gestaltung der Vergabelose an nationale oder internationale Wettbewerber des Incumbent jedoch ein Balanceakt. Werden in einem kleinen Land durch jede Region kleine Strecken ausgeschrieben, so ist dies sowohl unattraktiv für potenzielle Wettbewerber als auch ineffizient für die Aufgabenträger. Werden größere Teilnetze ausgeschrieben, so ist dies zwar attraktiv für die Wettbewerber, könnte aber den Incumbent gefährden.

Kleine Länder müssen auf die Effizienz des Ausschreibungsprozesses achten
Bei der Planung, Auftragsvergabe und Kontrolle zeichnen sich europaweit insbesondere für kleine Länder gemischte Systeme ab, bei denen das Kernnetz bzw. Kernlinien zentral und Zubringerstrecken lokal bzw. regional geprägt sind. Kleine Länder müssen darauf achten, dass hierdurch keine Ineffizienzen durch einen parallelen Kompetenzaufbau und geringe Auslastung entstehen. Aus Kostenund Effizienzgründen bietet sich daher die Einrichtung zentraler Stellen für das Ausschreibungsmanagement an. Regionen sollten jedoch in Vergabeprozesse eingebunden werden.

Bezüglich des Vergabeverfahrens wenden viele Länder erfolgreich eine Mischung aus Direktvergabe und Ausschreibungswettbewerb für regionale Netze oder Zubringerstrecken an. Als „Best Practice“ bei Ausschreibungsverfahren hat sich ein zweistufiges Verfahren herausgebildet, bei dem in einer ersten Runde mit groben Informationen EVU ihr Interesse anmelden können. Aus dieser Interessentenliste werden drei bis fünf Unternehmen eingeladen, ein Angebot abzugeben. Sie erhalten einen Einblick in alle notwendigen Unterlagen.

Aus Sicht des Kunden sind vor allem benutzerfreundliche Preis- und Informationssysteme (möglichst einheitliche Tarifstruktur, durchgängige Tickets, einheitliche Fahrgastinformationen) wichtig. Leider führt die Leistungserstellung durch mehrere Anbieter immer dazu, dass ein bestimmter Grad an Heterogenität entsteht. Der staatliche Aufgabenträger muss bei Ausschreibungen und Direktvergaben daher darauf achten, dass diese Heterogenität so wenig wie möglich auf die für den Kunden wichtige Einheitlichkeit und Integration durchschlägt. Die Sicherstellung derartig integrierter SPV-Angebote bedingt in stark fragmentierten Systemen jedoch hohen Koordinationsaufwand und bewirkt zusätzliche Kosten.

Obgleich durch die Aktivierung von Marktkräften bei Systemen mit Ausschreibungskomponenten zwar Effizienzvorteile genutzt werden können, muss dennoch festgehalten werden, dass Angebotsausweitungen und -verbesserungen im SPV auf jeden Fall höhere Kosten verursachen. Strategische Grundsatzentscheidungen, die versuchen, diese Tatsachen zu ignorieren, erzielen gegebenenfalls nur kurzfristig Kosteneinsparungen und damit einen geringeren Finanzierungsbedarfs des Staates.

Ausschreibungen sind ein grundsätzlich taugliches Instrument zur Angebotsverbesserung. Es konnte jedoch festgestellt werden, dass der Erfolg maßgeblich von zahlreichen Umgebungsfaktoren sowie nicht zuletzt von sorgfältiger Planung und klaren Zielvorstellungen abhängig ist. Gewarnt werden muss an dieser Stelle vor überhöhten Erwartungen an den (finanziellen) Nutzen, einer Überschätzung der Selbstkoordination des Marktes sowie vor zeitlich ambitionierten Umsetzungsprojekten – insbesondere bei mangelndem Wissen über die Existenz und Funktionsweise von Anbietermärkten.
 

Zum Autor: Univ.-Prof. Dr. Sebastian Kummer

 

Univ.-Prof. Dr. Sebastian Kummer
ist seit 2001 Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien. Darüber hinaus ist er Gastprofessor bzw. Dozent an Universitäten in China, Deutschland, Indonesien, Österreich und Russland. Er ist in zahlreichen Verbänden und Institutionen tätig. Dazu zählen: Präsident des Deutschen Schiedsgerichts Logistik, Präsident des Europäischen Verbandes für Defence Public Private Partnership e. V. und stellvertretendes Mitglied der Schienen-Control-Kommission. Als praxisorientierter Wissenschaftler führte Prof. Kummer gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr als 130 wissenschaftliche Forschungsprojekte sowie praxisbezogene Beratungsprojekte in den Bereichen Transportwirtschaft, Logistik und Supply Chain Management durch.

 

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