Der Kunde steht im Mittelpunkt
Und damit oft im Wege
koordiniert von Christa Schlager
RS-Thema: "Was tun die
Verkehrsunternehmen für die Fahrgäste von morgen?"
Fahrgäste brauchen mehr Information, viel Komfort, mehr
Rechte
und vor allem Wertschätzung. Regionale Schienen widmen
sich diesen Fragen anlässlich der 5. Salzburger Verkehrstage
vom
12. Bis 14. September 2007 schwerpunktmäßig. Im „RS - Thema“
dieser Nummer lassen wir Fahrgäste und Fachleute zu diesem
Thema zu Wort kommen.
Dass „Fahrgäste“ kein
einheitliches Wesen sind, macht es den Betreibern von
Öffentlichen Verkehrsmitteln nicht leicht. Geschäftsreisende
haben andere Wünsche als Senioren und Schüler, Radfahrer
andere als Pendler… Dennoch: Vieles haben alle
Fahrgastgruppen gemeinsam: Sie brauchen Information nicht
nur im normalen Betrieb, sondern besonders bei
Zwischenfällen, Information insbesondere auch über die
jeweils günstigsten Tarife. Ratlos am Bahnhof umherirrende
Reisende dürfte es nicht geben. Fahrgäste sind Kunden. Und
sie haben das Recht auf Leistung: nicht nur auf pünktliche
Züge und Busse, sondern auch auf gefällige Räumlichkeiten
zum Warten, saubere Züge, Busse und WC-Anlagen – und
freundliches Personal, das sich auskennt und kompetente
Auskünfte geben kann. Verwirrende Schilder, unkompetentes
oder gar unfreundliches Personal, Bahnhöfe und Züge ohne
Ansprechpartner, vernachlässigte Haltestellen oder
verschmutzte WC’s - all das sollte es nicht geben. Fahrgäste
sind Kunden, die für Leistung zahlen; Fahrgäste sind
Menschen, die durch ihre Verkehrsmittelwahl für eine
lebenswertere Umwelt beitragen - Fahrgäste müssen ihren
Ansprüchen gemäß behandelt werden. Nur dann können wir davon
ausgehen, dass es immer mehr von ihnen geben wird….
Mag. Peter Haibach, Regionale
Schienen
Bahnfahren mit Schattenseiten - Wo bleibt die Wertschätzung
der Bahnkunden
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Haltestelle Purbach – kein gefälliges
Eingangstor.
Foto: Mag. Peter Haibach
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Schock für Bahnkunden:WC eines
ostösterreichischen Regionalzuges
Foto: Mag. Peter Haibach |
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Bahnreisen mit den ÖBB ist schön! Hat aber auch
seine Schattenseiten. Einerseits ist es möglich,
bequem mit dem Talenttriebwagen nach Neusiedl am See
zu kommen und dann bahnsteiggleich in den im
Stundentakt verkehrenden Triebwagen einzusteigen und
entlang des Neusiedlersees mit herrlichem Ausblick
nach Purbach und weiter nach Eisenstadt zu fahren.
Andererseits überfällt einen eine gewisse Tristesse,
wenn man in Purbach aussteigt: Sie ist kein
gefälliges Eingangstor, die „Haltestelle Purbach“.
Bei der Rückreise von
Neusiedl zum Wiener Südbahnhof macht
man es sich wiederum im Talent bequem, döst vor sich
hin und genießt den Urlaubsrückblick. Das Dösen wird
durch den Zuglautsprecher mit der |
unangenehmen Durchsage
durchbrochen, wegen einer Baustelle gebe es ab Bruck an der
Leitha einen Schienenersatzverkehr. Die Reisenden fügen
sich, haben Verständnis und steigen aus dem Zug.
Dann aber irren die Fahrgäste
auf dem Bahnhofsvorplatz umher,
niemand sagt einem, von wo der Schienenersatzverkehr
wegfährt.
Schließlich wird eine Dame im „Warnwesterl“ im Wartesaal
entdeckt, die die Auskunft gibt, der Schienenersatzbus komme
erst
um 11.30 Uhr, d.h. die um 10.45 Uhr angekommenen Fahrgäste
müssen 45 min auf den Bus warten. Warum das so sein muss,
sagt einem keiner.
Währenddessen wird über
Lautsprecher bekanntgegeben, dass ein
Regionalzug nach Wien-Südbahnhof einfährt. Wieder wird die
Dame befragt, warum sie nicht auf diese Alternative
hingewiesen
hat.Ihre Antwort ist entwaffnend:„ Sie haben mich ja nicht
danach
gefragt.“ Trotz alledem steigen die auf dem Bahnhofsvorplatz
wartenden Reisenden, die sich durch Zurufe über die
Alternative per
Bahn verständigt haben, in den Zug ein. Ein Bahnbediensteter
im
Zug zuckt auf Befragen die Achseln und meint, bei uns gehe
alles
drunter und drüber.
Ein letzter Schock rundet die
Reise durch einen Besuch auf dem WC ab, der Kloodeckel
strotzt vor Dreck, der Abfalleimer hängt fast
durchgerostet an der Wand. Man fühlt sich zurückversetzt in
eines
der ärmsten Entwicklungsländer.
Die Fragen stellen sich:
• Wer trägt für diese schlechte Dienstleistungsqualität die
Verantwortung?
• Warum ist das ÖBB-Personals großteils so frustriert und
demotiviert?
• Warum sehen die Verantwortlichen von ÖBB und
Verkehrsministerium nicht die Nöte der Fahrgäste und meinen,
durch Milliardeninvestitionen, z.B. in den
Brenner-Basistunnel, den Fahrgästen etwas Gutes zu tun?
•Wäre es nicht viel wertschätzender und wirksamer, in die
Personalausbildung und Fortbildung der Bediensteten der ÖBB
und in modernes Zugmaterial - auch bei Regionalbahnen - zu
investieren, statt einzig und allein auf den Paradezug „Railjet“
zu setzen?
Angelika Gasteiner, Salzburg
AG, Geschäftsfeld Verkehr
Fahrgast bis 100
Zukunftsperspektiven für Senioren/Seniorinnen im
Öffentlichen Verkehr
 |
Sicherheit macht mobil. SLB bietet Training
für Senioren an.
Foto: SLB |
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Die
demographische Entwicklung macht auch vor dem
Öffentlichen Verkehr nicht halt - im Gegenteil.Was
sind die besonderen Bedürfnisse älterer Menschen im
ÖV? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für
Verkehrsunternehmen, und wie kann der Spagat
zwischen Wirtschaftlichkeit und Kundenorientierung
bewältigt werden? |
Unter diesem Aspekt trafen
einander am 14. Juni 2007 auf Einladung des Salzburger
StadtBus und des Zentrums für Generationen &
Barrierefreiheit Vertreter/-innen öffentlicher
Verkehrsanbieter, Planer/-innen und Expert/-innen aus
Österreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz zum
grenzüberschreitenden Dialog.
Dr. Christa Erhart, bis 2006
Oberärztin und Leiterin der Tagesklinik der
Universitätsklinik für Geriatrie an der CDK in Salzburg,
klärt in Ihrem Initialreferat die Frage „Wer ist der ältere
Fahrgast, und welche Bedürfnisse hat er?“. Aufgrund
physiologischer Veränderungen sind die Anpassungs- und
Kompensationsmöglichkeiten zunehmend eingeschränkt, sodass
adäquate Infrastrukturen und Anpassung des ÖV die
Grundvoraussetzung für selbstverantwortliches Tun und
Entwicklungspotenzial des Einzelnen darstellen.
Durch ihre über viele Jahre
gesammelten Erfahrungen weist sie
darauf hin, dass der ältere Fahrgast eine multi- und
transdisziplinäre Herausforderung darstellt und dass dessen
Zufriedenheit vor allem durch Vertrautheit, Sicherheit sowie
einfache Orientierung und Kontrollierbarkeit sichergestellt
werden kann.
In der Folge stellt der deutsche
Diplom-Geograph Matthias Fiedler von Rupprecht Consult unter
dem Titel „Ältere Menschen und der ÖPNV - Lernen von guten
Beispielen in Europa“ die von der EMTA in Auftrag gegebene
Studie vor. Er geht vor allem auf den demographischen Wandel
ein, der europaweit durch eine stetig steigende Anzahl von
älteren Menschen gekennzeichnet ist. Die Herausforderung für
den ÖPNV liegt nun darin, sich auf die Bedürfnisse von
Älteren einzustellen und die heterogene Zielgruppe der
Senioren/Seniorinnen als Kunden zu begreifen. Wie das
bereits in anderen Ländern erfolgreich bewältigt wurde,
stellt er anhand von Best-Practice-Beispielen bildhaft vor.
Salzburg nimmt dabei in mehreren Bereichen eine
Vorreiterrolle ein und kann Vorbild für andere
Verkehrsunternehmen sein.
„Von Kosten und Nutzen -
Orientierung an den Kunden von 60-100 Jahren, lohnt sich
das?“, lautet die Frage, die hinter der Marketingstrategie
des deutschen Diplom-Volkswirts Gerhard Probst, steckt.
Senioren/Seniorinnen von morgen werden erheblich
anspruchsvoller in Bezug auf die gebotene Leistung und den
Preis reagieren. Die besondere Betrachtung des Marktes
geschieht somit nicht nur aus Gründen der politischen
Korrektheit, sondern vor allem aus wirtschaftlicher
Notwendigkeit. Seniorentarife sollten hinterfragt
werden: Nicht jeder alte Mensch braucht Ermäßigungen.
Mit den Schwachstellen im System und den Möglichkeiten der
optimalen Informationsgestaltung befasst sich Veronika Egger
von is-design aus Wien in ihrem Vortrag. Sie gibt zu
bedenken, dass man zwar nie für alle Eventualitäten planen
und gestalten kann, aber sehr wohl die Systeme aus der Sicht
der Benutzer betrachten müsse. Anhand von gelungenen und
misslungenen Beispielen Informationsdesigns hervor.
Frau Dr. Heidrun Mollenkopf, Diplom-Soziologin und
Gerontologin von der Universität Heidelberg, sieht im ÖPNV
auch Grundvoraussetzung für die Sicherung und Stärkung der
sozialen Integration und die Möglichkeit der
gesellschaftlichen Teilhabe älterer Menschen. Auf Basis von
ihrem Institut erhobener nationaler und internationaler
Daten zeigt sie auf, ob und wie ältere Menschen ihr
Mobilitätsbedürfnis verwirklichen können, welche Wünsche
eben
diese große Kundengruppe gerade an den ÖPNV hat.
Die beiden Initiatorinnen der Tagung,Angelika Gasteiner vom
Stadt-
Bus Salzburg und Susanne Schinagl vom ZGB - Zentrum für
Generationen und Barrierefreiheit, stellen zum Abschluss
Maßnahmen vor, die bereits erfolgreich in Salzburg umgesetzt
wurden: so zum Beispiel die Fahrerschulungen, eine eigene
Broschüre für Senioren/Seniorinnen und das
Sicherheitstraining für ältere Busfahrgäste, welches
ebenfalls als Best-Practice-Beispiel gehandelt wird. Mit
diesem Kooperationsprojekt der beiden Institutionen wird die
Bedeutung der „soft skills“ hervorgehoben, die sich mit den
weit über die baulichen und fahrzeugtechnischen Maßnahmen
hinausgehenden Bedürfnissen und Problemen älterer Fahrgäste
auseinandersetzen.
Der StadtBus Salzburg stellt
sich rechtzeitig den Herausforderungen des demografischen
Wandels und entwickelt eine Vielzahl von „weichen“
Maßnahmen,die den älteren Fahrgästen das Benützen des
Öffentlichen Verkehrs erleichtern. Das Seniorenprojekt
fördert das Image des Unternehmens
erheblich und bringt auch finanziellen Erfolg,wenn die
Senioren/
Seniorinnen bis ins hohe Alter als Fahrgast erhalten
bleiben.
Dipl.- Soz.-Wiss. Holger
JANSEN
Wer hat Recht? - Nexus-Studie über Kunden- und
Fahrgastrechte im Öffentlichen Verkehr
Wie steht es um die Fahrgast-
und Kundenrechte bei öffentlichen
Verkehrsmitteln im europäischen Vergleich? Diese Frage stand
zu
Beginn einer Studie zur aktuellen Situation der Fahrgäste in
25 EUMitgliedsstaaten. Das Berliner Nexus Institut übernahm
der Auftrag der EU-Kommission. Laufzeit der Studie war das
Jahr 2006.
In der Studie analysierte Nexus
die Situation für die Verkehrträger
Flugzeug, Schiene, unterteilt in Nah- und Fernverkehr,
übriger öffentlicher Verkehr, Fernbusse ohne
Charter/Sonderverkehre und Schifffahrt. In einer ersten
Phase recherchierte Nexus quantitativ,ob Unternehmen
freiwillige Verpflichtungen wie Kundenchartas oder
Entschädigungen bei Verspätungen anbieten, die über die
gesetzlichen Mindeststandards hinausgehen. Viele Unternehmen
oder Verkehrsverbünde führten in den vergangenen Jahren auf
freiwilliger Basis entweder eine Charta oder eine Kunden-
bzw. Servicegarantie ein.
Danach folgte eine qualitative
Analyse. Dabei ging es insbesondere
um die Umsetzung der freiwilligen Maßnahmen durch die
Unternehmen. Weiterer wichtiger Punkt war die Analyse des
Beschwerdemanagements der Unternehmen. Dazu befragte das
Nexus-Team im Jahr 2006 rund 500 Verkehrsunternehmen,
analysierte über 300 Kundenchartas und Servicegarantien,
sprach mit 115 Verbänden, Organisationen und
Schlichtungsstellen aus dem Verkehrsbereich in der gesamten
EU.
Parallel erfolgte eine
rechtliche Prüfung, ob die freiwilligen
Selbstverpflichtungen der Unternehmen mit dem
EU-Verbraucherrecht vereinbar sind. Abschließend erstellten
die Wissenschaftler ein Ranking für alle 25 EU-Staaten.
Dabei belegte Großbritannien Platz 1, gefolgt von Schweden,
Frankreich und Deutschland. Österreich erreicht Platz 21. In
Großbritannien gibt es neben dem landesweiten
Mindeststandard viele Verkehrsunternehmen, die darüber
hinausgehende Garantien für ihre Kunden anbieten. Auch in
Schweden führten die Verkehrsverbünde Garantien für ihre
Kunden ein.In Deutschland und
Frankreich geht der Trend zu mehr Qualität im Öffentlichen
Verkehr. Viele Unternehmen führten eine Charta oder
Servicegarantie ein.
Die Ergebnisse der Studie werden
bei den 5. Salzburger Verkehrstagen präsentiert.
O. Univ. Prof. DI Dr. techn.
Hermann KNOFLACHER
Kundenforum - Marketingstrategie oder Alibiaktion?
Das ÖBB-Kundenforum geht aus der
internationalen Erfahrung mit Beiräten öffentlicher
Verkehrsbetriebe und insbesondere des Fahrgastbeirates der
Wiener Linien hervor. Die Auswahl der Mitglieder erfolgte
durch ein unabhängiges Büro aus über 2600 Bewerbungen. Die
Verteilung der Mitglieder spiegelt die regionale Präsenz
wider. Die Arbeiten des Kundenforums zielen auf eine
Verbesserung der Situation der ÖBB-Kunden, der baulichen
Infrastruktur, des Rollmateriales, des Informationssystems
und der Gleichberechtigung der ÖBB Kunden in Medien und
Politik mit dem Autoverkehr.
Eine Marketingstrategie ist dann
erfolgreich, wenn sie das hält,
was sie verspricht. Dazu ist ein Feedback notwendig, und
dieses erfolgt am effizientesten von den Kunden direkt. Die
bisherige Zusammenarbeit des Kundenforums mit den ÖBB ist
bisher sehr positiv zu bewerten, da schon nach den ersten
Arbeitssitzungen eine Reihe von Vorschlägen sofort umgesetzt
wurde. Manche Vorschläge betreffen längerfristige Maßnahmen,
die durch das Kundenforum angestoßen wurden. Das Ergebnis
der Zusammenarbeit hängt von den umgesetzten Maßnahmen ab.
Und diese sind kein Alibi.
Die Autoren |
Mag. Peter HAIBACH
Sprecher der Salzburger Verkehrsplattform und von
ProBahn
Österreich sowie Herausgeber der Regionalen Schienen
Angelika GASTEINER
Ombudsfrau und Kundenservice beim Stadtbus Salzburg
(Obus) und der Salzburg Lokalbahn
Dipl.- Soz.-Wiss.
Holger JANSEN
Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Nexus
Institut für Kooperationsmanagement und
interdisziplinäre Forschung
GmbH in Berlin
O. Univ. Prof. DI Dr.
techn. Hermann KNOFLACHER
Vorstand des Instituts für Verkehrsplanung und
Verkehrstechnik
an der Technischen Universität Wien |
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