Niederösterreich:
Regionalbahnen-Desaster zeichnet sich ab
Elf Monate nach
Unterzeichnung der
Verländerung bleibt kein
Stein auf dem anderen
von
probahn Österreich
Am 14. Jänner 2010 wurde
die erste große
Verländerung von
Nebenbahnen in
Niederösterreich
vertraglich fixiert.
Jetzt stehen das Land
und die dafür
verantwortliche Politik
vor einem
Scherbenhaufen.
Über das flächendeckende
Umstellen von
Schienenverkehrsleistungen
auf die Straße, im Nah-
wie im Güterverkehr
wurde schon viel
berichtet, ebenso dass
von 28 Regionalbahnen
mit 624 km nur zwei
Teilabschnitte mit 35 km
weiter im Regelverkehr
verbleiben sollen.
Dazugekommen ist, dass
in geheimen
Nebenvereinbarungen zwei
weitere
Nebenbahn-Abschnitte
durch die ÖBB
stillgelegt werden
sollen und rund 660.000
Jahreszugskilometer im
Sommer und per
Fahrplanwechsel im
Dezember zurückgenommen
werden. Von den rund 22
Millionen
Jahreszugskilometern in
NÖ werden 20 Millionen
durch die
Grundangebotssicherung
des Bundes finanziert,
die Kürzung betrifft
also den restlichen
Landesanteil von nunmehr
rund zwei Millionen
Jahreskilometern. Die
offiziellen Verfahren
zur Einstellung von
Bahnstrecken als
Voraussetzung zur
Übernahme durch das Land
werden zügig
vorangetrieben.
Ausschreibungen werden
so gestaltet, dass die
potenziellen Bewerber
vertrieben werden.
Schwerpunkte sind dort,
wo realistische
Potenziale, Konzepte und
Initiativen hinter den
Regionalbahnen stehen:
• Wachauer Bahn
• Thayatalbahn
• Traisentalbahn
• Ybbstalbahn
• Mariazeller-Bahn
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Aus der Wachauer Bahn könnte eine attraktive Tourismusbahn
gemacht werden – ein Nahverkehrszug unterwegs bei Dürnstein.
Foto: Johannes Schendl |
Wachauer Bahn
In der Wachau, wo die
Umstellung auf ein
Buskonzept am 11. April
2011 erfolgen soll,
wurde den seit Jahren
hinter der Bahn
stehenden Bürgermeistern
ein attraktiver
Tourismuszugverkehr auf
saniertem Gleis
versprochen. Nachdem
sich herausstellt, dass
keine Baumaschinen
auffahren werden, ist
die Verärgerung sehr
groß. Die Fahrzeit im
Bus in der Relation
Spitz – Krems ist länger
als mit dem Zug, das
Umsteigen mühsamer, und
die erfahrungsgemäß
fehlende
Anschlussgarantie für im
Stau stehende Busse auf
der heute schon
überlasteten B3 wird zu
einer vollständigen
Verlagerung auf den
Individualverkehr
führen.
Der drohende Verlust des
einzig brauchbaren
Anschlusses der
Donau-Universität Krems
an das öffentliche
Verkehrsnetz verursacht
auf vielerlei Ebenen
Verärgerung ebenso wie
die geplante Einstellung
des Güterverkehrs auf
der gesamten
Donauuferbahn, speziell
wo die Holzverlader aus
dem Waldviertel von der
ebenfalls kürzlich
stillgelegten Strecke
Martinsberg – Gutenbrunn
auf die strategisch und
kommerziell günstige
Verladung Richtung
Westen auf diese Strecke
verwiesen wurden –
natürlich um den Preis
längerer Zulaufstrecken
auf der Straße. Für die
Wachauer Bahn gibt es
mindestens ein
alternatives Drei-
Phasenkonzept bis Spitz,
Emmersdorf und Pendler-
und Touristenverkehr von
/ nach Wien.
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Tschechen und Österreicher protestieren am Grenzübergang Fratres für eine gemeinsame Thayatalbahn und gegen den Straßentransit.
Foto: Verein „Neue Thayatalbahn“ |
Thayatalbahn
Tschechen beklagen die
fehlende
Handschlagqualität der
niederösterreichischen
Bürgermeister
„Im Juni 2010 wurden mit
den
niederösterreichischen
Vertretern weitere
Verhandlungen in Bezug
auf die Thayatalbahn
vereinbart. Seitdem
haben wir nichts mehr
gehört,“ beklagte
unlängst der
Bürgermeister der
Landesausstellungsstadt
Telˇc, Roman Fabeˇs, in
Bezug auf die
Thayatalbahn in der
Internet-Tageszeitung „aktualne.cz“
die fehlende
Handschlagqualität von
niederösterreichischer
Seite.
Mit ihrem Vorstoß, die
Trasse der Thayatalbahn
abwracken zu wollen, um
darauf einen Radweg zu
errichten, brüskieren
die Bürgermeister des
Bezirks Waidhofen nicht
nur die tschechischen
Partner, sondern auch
den Verein „Neue
Thayatalbahn“, dem die
beschlussfassenden
Bürgermeister selber als
Vorstandsmitglieder
angehören und dessen
Ziele sie solange
unterstützt hatten, wie
dies politisch opportun
war. Der Waidhofner
Bürgermeister
Strohmayer-Dangl sowie
Bundesrat Karl Boden
forderten bei den
Gemeinderatswahlen
Anfang 2008 noch den
Ausbau der Bahn.
Der Vereinsobmann der
„Neuen Thayatalbahn“,
Egon Schmidt, zeigt auf,
dass das Land für einen
Radweg zehn Millionen
Euro und für vier
Ortsumfahrungen 80
Millionen Euro ausgeben
will (dabei ist die
Ortsumfahrung Fratres um
zehn Millionen Euro
nicht miteinberechnet),
jedoch nichts für die
Bahn-Attraktivierung,
die die Verlagerung der
Lkw-Holztransporte auf
die Bahn zur Folge
hätte. Schmidt fordert
die für den Radweg
benötigten Mittel für
die Revitalisierung der
Thayatalbahn ein.
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Das hohe Güterverkehrsaufkommen im Traisental macht die Bahn jedenfalls unverzichtbar und trägt gemeinsam mit dem Pendler- und
Tourismusverkehr zur Wirtschaftlichkeit bei.
Foto: Klaus Reiter |
Traisentalbahn –
angekündigter Protest
von 200 Lkws lässt
Landesregierung
vorsichtig sein
Im Traisental wird dank
einer lange heftig
dementierten
Nebenvereinbarung nicht
nur ein Teil der
Langsamfahrstellen
saniert, sondern wie
auch an der
Erlauftalbahn der
hintere
Streckenabschnitt im
Gesamtverkehr
stillgelegt. Das sind
Schrambach – St. Aegyd
im Traisental und
Scheibbs –
Kienberg-Gaming im
Erlauftal, beide heute
quasi im Stundentakt
bedient. Dass dem
beschlossenen Bau der
Traisentalschnellstraße
(450 Millionen Euro in
Planungsphase) die
Auslastung zugeschoben
werden soll, sagen nur
böse Zungen, da Züge wie
Straße heute bereits
sehr stark frequentiert
sind. Erstaunlich ist
auch, dass der neue
Endpunkt Schrambach
derzeit eine
Bedarfshaltestelle ist
und aus betrieblichen
Aspekten gewählt wurde
(ausreichend Wendezeit
für einen Taktfahrplan,
der ohne
Beschleunigungen
auskommen muss). Das
Bemühen der
Gemeindevertreter von
St. Aegyd (wie auch
Gaming) war von Anfang
an zum Scheitern
verurteilt, gehören sie
doch nicht der
Landespartei ÖVP an.
Umso erstaunlicher, dass
sich massiver Widerstand
gegen die – auch für die
Rail Cargo Austria
überraschende –
Einstellung des
Güterverkehrs seitens
der parteilinientreuen
Ortschefs und ihrer
Unternehmer formiert.
Erst die bereits in
Organisation befindliche
Demonstration mit 30
Lkws beladen mit Holz in
Wien vor dem
Infrastrukturministerium
brachte einen neuen
Denkprozess ins Laufen.
Erstaunlich ist auch,
dass genau jene rund
vier km von Schrambach
bis Freiland, die
aktuell der einzige
Streckenabschnitt mit
marodem Gleis sind, im
Güterverkehr verblieben
wären, um in Freiland
eine neue Verladeanlage
zu errichten. Ob es
wirtschaftlich sinnvoll
ist, die erst jüngst in
St. Aegyd hergerichteten
Anlagen zu beiden Seiten
des Bahnhofs sowie vier
regelmäßig benutzte
Anschlussgleise
aufzugeben, um in
Freiland alles neu zu
bauen, darf
dahingestellt sein,
speziell dort wo das
Gleis keine
offensichtlichen Mängel
aufweist.
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Schilda im Ybbstal – ÖVP-Bürgermeister kämpfen gegen ihre
eigene Ybbstalbahn und fordern statt der Bahn einen Radweg,
statt für beides einzutreten.
Foto: YEG |
Ybbstalbahn – radelnde
Bürgermeister vernichten
die
wirtschaftliche
Grundlage ihrer Region
Die Ausschreibung im
Rahmen des
Stilllegungsverfahren
mit einer Angebotsfrist
von zwei Wochen (!)
brachte mehrere
Interessierte, weshalb
sich die Stilllegung als
vom Land gestellte
Voraussetzung zur
Übernahme verzögern
könnte oder
möglicherweise gar nicht
stattfindet. Nachdem ein
Regelverkehr aus
politischen Gründen
kategorisch
ausgeschlossen wird,
versuchen die Bahnproponenten nun ein
Tourismusbahnkonzept auf
moderner Basis (nicht
Nostalgie) zu
etablieren. Alle
willkürlich gesetzten
Fristen wurden
eingehalten; bevor aber
die zugesagten Gespräche
begannen, forderten
linientreue
Bürgermeister „Radweg
jetzt“ – auf der
Bahntrasse. Dass in
weiten Abschnitten
parallele Güterwege oder
Nebenstraßen vorhanden
sind und eine
Tourismusbahn samt
Radweg einmalig und
dauerhaft billiger ist
und deshalb schneller
realisiert werden kann,
wird nicht zur Kenntnis
genommen. Zu groß ist
die Angst der Politiker
in St. Pölten, dass die
Bevölkerung ihre Bahn
auch im Regelverkehr
zurückfordern könnte.
Schon bald nach
Einführung des
Buskonzeptes hörte man,
dass „der Bus noch
schlechter als der
lausige Betrieb der ÖBB“
sei –, und das war im
Spätsommer, nicht im
Winter!
Auch die
Wirtschaftstreibenden,
allesamt ÖVP-nahe,
fordern – hinter
vorgehaltener Hand –
eine rasche
Attraktivierung des nun
daniederliegenden
Tourismus mit Bahn und
Radweg, wissen sie doch,
dass vernünftige
Paketlösungen Bahn und
Rad eine rund zehnmal
höhere Gästefrequenz
generieren als ein
Radweg alleine.
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Fünf Minuten nach pünktlicher Ankunft des REX Ötscherbär (Lok und sieben Wagen, davon ein Fahrradwaggon) in Mariazell am
2. Oktober 2010 verlaufen sich die Fahrgäste. Keine Spur von leeren Zügen, tags darauf war derselbe Zug überbesetzt. Sollte es zu einer
Attraktivierung der Mariazeller-Bahn kommen, werden die zur Bestellung vorgesehene Kapazitäten 2013 nicht ausreichen und
Zugangsbeschränkungen erforderlich machen.
Foto: Gerhard
Vohla |
Mariazeller-Bahn in
Gefahr
Die Mariazeller-Bahn
soll als Aushängeschild
dienen. Leider fehlen
die Konzepte dazu, und
die handelnde
Landesgesellschaft
erscheint mehr als
überfordert. Zwar
scheint der ÖBBFahrplan
nun bis Juni 2011 quasi
unverändert
fortgeschrieben zu
werden. Aber ohne
nachhaltiges, mit
Bevölkerung und
Tourismusverbänden sowie
der Steiermark
abgestimmtes
Betriebskonzept sind die
konkret geplanten
Investitionen nicht
verantwortbar.
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