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														Doppelt so viele Fahrgäste im Bahnverkehr
sind möglich 
														
														
														Spritpreiserhöhung - 
														Chance für die Bahnen? 
														 
														
														
														
														von Heinrich Strößenreuther 
														
														
														Der afrikanische Kontinent lebt in Aufruhr, die Ölpreise steigen. Ein
Atomkraftwerk explodiert, der Ausstieg aus der Atomkraft nimmt
wieder Fahrt auf, die Strompreise steigen. Peak Oil, die weltweite
maximale Öl-Fördermenge pro Jahr, hat stattgefunden. Die Preise
für Benzin und Diesel erreichen wieder die Spitzenwerte von 2008. 
														
														
														Stabile Preise und 
														Preissicherheit wird es 
														auf den Energiemärkten 
														nie wieder geben. An ein 
														Sinken des Ölpreises 
														glaubt niemand mehr 
														ernsthaft. Beides sind 
														sehr relevante 
														Rahmenparameter für den 
														Verkehrsmarkt. Sie 
														bestimmen auf der 
														Kostenseite den 
														Energiekostenblock, der 
														bei durchschnittlich 
														zehn Prozent der 
														Gesamtkosten liegt. 
														
														
														Weit wichtiger aber ist 
														die Wirkung auf der 
														Nachfrageseite. 
														Benzinund Dieselkosten 
														beeinflussen sehr stark 
														die Entscheidung, mit 
														dem Auto zu fahren oder 
														zunehmend häufiger die 
														Bahn zu nehmen. Häufig 
														wird diese Dimension in 
														langfristigen 
														Überlegungen 
														unzureichend verstanden 
														und berücksichtigt. Die 
														Allianz pro Schiene in 
														Deutschland hat dazu 
														eine Studie in Auftrag 
														gegeben. 
														
														
														Das Beispiel Deutschland 
														zeigt das auf 
														eindrucksvolle Weise. 
														Die Nachfrage nach 
														Personenverkehrsleistungen 
														kann um 50 bis 100 
														Prozent wachsen, eine 
														Verdopplung der 
														Bahnnachfrage bis 2020 
														gegenüber 2007 ist 
														möglich. Diese 
														Trendprognosen ergeben 
														sich aus zwei 
														ursächlichen 
														Zusammenhängen. 
  
														
															
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																Abbildung 1: Vergleich Öl- und Benzinpreise 2000 bis 2008/10
und Fortschreibung bis 2024. 
																
																
																Quelle: Heinrich Strößenreuther  | 
															 
														 
														
																
														Zum einen sind in den 
														letzten Jahren die Öl- 
														und Spritpreise um 
														durchschnittlich 10 % 
														pro Jahr gewachsen 
														[siehe Abbildung 1 – 
														diese Seite]. 
														Extrapoliert auf das 
														Jahr 2020, ergeben sich 
														damit Spritpreise von 
														3,40 Euro bzw. die 
														magische Marke von fünf 
														Euro im Jahr 2024. Im 
														Jahr 2008, als der 
														Ölpreis fast die 
														150-Dollar-Marke 
														erreichte, gaben in 
														einer 
														Bevölkerungsumfrage 20 % 
														der Befragten an, mehr 
														Bahn gefahren zu sein. 
														Erstmals hat die 
														Deutsche Bahn ihren 
														Marktanteil gegenüber 
														der Straße verbessern 
														können. 
														
														Strategisch relevant ist 
														jedoch mehr die Frage, 
														was bei fünf Euro je 
														Liter Sprit passiert. 
														Ein Meinungsbild unter 
														Marketing-Leitern und 
														Vertriebsvorständen 
														ergab einen klaren 
														Zusammenhang zwischen 
														Benzinpreis und 
														Verkehrsnachfrage. 
														
														55 % glaubten, dass der 
														Öffentliche Verkehr 
														stark wachsen würde, 36 
														% waren der Meinung, 
														dass es mittlere 
														Nachfragezuwächse gäbe. 
														45 % schätzen das 
														Nachfragewachstum auf 
														über 20 % ein. 
														Hochgerechnet auf das 
														Jahr 2020, ergibt sich 
														damit eine 
														spritpreisinduzierte 
														Wachstumsrate von 1,8 % 
														p.a., sofern der Öl- und 
														Benzinpreis weiter mit 
														10 % pro Jahr 
														durchschnittlich wächst. 
  
														
															
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																Abbildung 2: Panel-Umfrage [n = 1.000], Erwartungen an Benzinpreis
in [Euro/l] für 2020, Angaben in %. 
																
																
																Quelle: Heinrich Strößenreuther  | 
															 
														 
														
														
														In der obigen 
														Bevölkerungsumfrage 
														wurden ebenfalls 
														Einschätzungen und ein 
														mögliches Verhalten bei 
														fünf Euro ermittelt. 54 
														% der Bevölkerung 
														erwarten für das Jahr 
														2020 einen Benzinpreis 
														von drei Euro und mehr, 
														knapp 90 % glauben an 
														mehr als zwei Euro je 
														Liter [siehe Abbildung 2 
														– Seite 33]. Dazu gaben 
														einkommensschwache 
														Schichten für 2008 an, 
														bis zu 30 % mehr Bahn 
														gefahren zu sein. 
														
														Mit dem Blick in die 
														Zukunft – auf ein 
														Fünf-Euro-Szenario – 
														würden deutlich mehr 
														Kunden von Gelegenheits- 
														zu häufigen Nutzern. 
														Insbesondere der Anteil 
														jener,welche die Bahn 
														dann fast täglich nutzen 
														würden, stiege deutlich. 
														In Summe würde die 
														Verkehrsnachfrage in 
														Personenkilometern um 
														fast 60 % wachsen; das 
														entspricht einer 
														jährlichen 
														Steigerungsrate von 2,5 
														% im Nahverkehr bzw. 4,5 
														% im Fernverkehr. 
														
														Zum anderen konnten die 
														Bahnen in Deutschland im 
														Wettbewerb ihr Angebot 
														verbessern und 
														attraktivere Preise und 
														Dienstleistungen bieten. 
														Neue Fahrzeuge im Nah- 
														und Fernverkehr, 
														schickere Bahnhöfe, 
														Schnäppchen-Preissysteme 
														– die 
														Nachfrageentwicklung lag 
														im Fernverkehr bei 
														durchschnittlich 1,5 % 
														bis 2 % pro Jahr. Im 
														Nahverkehr hat der 
														Ausschreibungswettbewerb 
														die Effizienz gesteigert 
														und erlaubt, für 
														gleiches 
														Besteller-Entgelt mehr 
														Zugkilometer zu 
														finanzieren. ITF-Effekte, 
														Betreiber-Wechsel und 
														attraktivere Angebote 
														haben hier zu 
														durchschnittlichen 
														jährlichen 
														Nachfragesteigerungen 
														von 3 % bis 4 % im 
														Nahverkehr geführt. Eine 
														solide 
														Wettbewerbspolitik mit 
														einem geordneten 
														Übergang in einen 
														Ausschreibungsmarkt kann 
														diese Effekte zeitigen. 
														
														Beide Entwicklungen 
														übereinander gelegt 
														ergeben dann eine 
														Verdopplung der 
														Nachfrage bis 2020 auf 
														Basis der Ausgangswerte 
														von 2007. Mit anderen 
														Worten: 100 % Wachstum 
														lässt sich plausibel als 
														ein sinnvolles 
														Planungsszenario 
														herleiten. Werden die 
														vorsichtigeren unteren 
														Wachstumszahlen 
														angesetzt,wächst die 
														Nachfrage immerhin noch 
														um knapp 60 % [siehe 
														Abbildung 3]. Die 
														Zukunft erfordert mehr 
														Infrastruktur- und 
														Fahrzeugkapazitäten. 
  
														
															
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																Abbildung 3: Abschätzung Nachfragewachstum Schienenpersonenverkehr
Deutschland [Mrd. Pkm] 
																
																
																Quelle: Heinrich Strößenreuther  | 
															 
														 
														
														
														
														Legt man diese 
														Nachfragezuwächse linear 
														auf die Netzbelastung 
														um, rechnet die 
														Prognosen für den 
														Güterverkehr dazu und 
														unterstellt keine 
														Veränderungen der 
														Infrastruktur-Effizienz, 
														Technik und Ausstattung, 
														so wächst die 
														Trassennachfrage um 50 % 
														bis 90 %. 
														Verantwortliche aus dem 
														Verkehrsbereich sind zu 
														64 % der Meinung, dass 
														sie die durch den 
														Ölpreis induzierte 
														zusätzliche Nachfrage 
														nicht mit ihren jetzigen 
														Kapazitäten realisieren 
														können. Und damit werden 
														aufgrund der 
														Langfristigkeit des 
														Bahngeschäfts im 
														Fahrzeug- und im 
														Infrastrukturbereich die 
														Unruhen in Afrika zu 
														einem wichtigen Thema: 
														
														
														• Mit welchen 
														Ölpreis-Annahmen wird in 
														den Verkehrsministerien 
														gerechnet? Liegen diese 
														unter dem heutigen 
														Niveau, auf heutigem 
														Niveau oder um den 
														Faktor X über dem 
														heutigen Niveau?  
														•Welche Verkehrsmengen 
														errechnen sich daraus 
														für Schiene, Straße und 
														Luft, für Personen- oder 
														Güterverkehr, für Bus 
														oder Bahn?  
														• Welche 
														Kapazitätsreserven 
														bestehen in dem heutigen 
														Fahrzeugpark und der 
														heutigen 
														Infrastruktur-Ausstattung?
														 
														• Welche Entscheidungen 
														müssten aufgrund der 
														Realisierungszeiträume 
														heute bereits in 
														Erwägung gezogen werden? 
														
														
														Einige Antworten lassen 
														sich bereits geben. Am 
														Beispiel Deutschland und 
														Schweiz lassen sich 
														erste Ansätze ablesen. 
														Zum Beispiel zeigt sich 
														im Vergleich der 
														Infrastruktur-Effizienz, 
														dass die schweizerische 
														Netzleistungsfähigkeit 
														diese Nachfragezuwächse 
														bewältigen könnte. Im 
														Infrastruktur-Ausbau 
														müsste demnach sehr 
														stark die Strategie des 
														Integralen Taktfahrplans 
														auf Bundesebene verfolgt 
														werden. Bei den 
														Fahrzeugbeschaffungen im 
														Fernverkehr müssten 
														Doppelstock-Fahrzeug 
														vermehrt eingesetzt 
														werden, wie es die 
														Deutsche Bahn AG zur 
														Zeit erwägt, 
														möglicherweise auch nur 
														aus Fahrzeugmangel und 
														-verfügbarkeit. 
														
														
														Sollen die Weichen 
														richtig gestellt werden, 
														müssen diese Fragen 
														zeitnah angegangen 
														werden. Ein Beispiel aus 
														Deutschland zeigt, dass 
														hier schon auf der Ebene 
														der Datengrundlage 
														wesentliche 
														Basis-Parameter der 
														Zukunft unzureichend 
														berücksichtigt werden. 
														Das 
														Bundesverkehrsministerium 
														hat für die Überprüfung 
														des Bedarfsplan Schiene 
														in seiner 
														Verflechtungsprognose 
														von 2007 einen Wert von 
														37 bis 60 Dollar je 
														Barrel Öl für das Jahr 
														2030 angegeben. Die 
														heutigen Werte liegen um 
														den Faktor „zwei bis 
														drei“ über diesem Wert. 
														Ein Planungsszenario 
														sollte also mindestens 
														bedeuten, einen Ölpreis 
														zu kalkulieren, der um 
														den Faktor „zwei bis 
														drei“ über dem heutigen 
														Wert liegt, und nicht 
														darunter. Die 
														strategische 
														Herausforderung für die 
														Zukunft heißt also 
														nicht, wie mehr 
														Fahrgäste für die Bahn 
														gewonnen werden können, 
														sondern wie die 
														erforderlichen 
														Kapazitäten rechtzeitig 
														bereit gestellt werden 
														können. 
														
														
														Gute Gründe, ein solches 
														Szenario zu rechnen, 
														gibt es genug. 
														Beispielsweise reichen 
														die Erdölreserven der 
														zehn größten Ölkonzerne 
														weltweit noch für zwölf 
														Jahre. Der Peak der 
														Ölfunde war in den 
														Sechziger-Jahren, der 
														Peak der Förderung lag 
														in den letzten fünf 
														Jahren. In China und 
														Indien fahren zwölf 
														Autos pro 1.000 
														Einwohner, in 
														Deutschland 540 und in 
														USA 760 Autos. Die 
														Medien nehmen das Thema 
														Peak Oil sehr ernst, nur 
														die Minderheit negiert 
														die Zusammenhänge, wie 
														Presseauswertungen 
														zeigen. 
														
														
														Als Folge entstehen dann 
														größere Verkehrsmengen 
														auf der Straße als auf 
														der Schiene, und diese 
														haben entsprechend 
														Konsequenzen für den 
														Ausbaubedarf der 
														Straßen- statt der 
														Schieneninfrastruktur. 
														Sinnvoll und plausibel 
														erscheint tatsächlich, 
														mit Ölpreis-Szenarien im 
														Bereich von 250 Dollar 
														und mehr je Barrel zu 
														rechnen und die 
														entsprechenden Maßnahmen 
														zu setzen. Der 
														Öffentliche Verkehr wird 
														vor einer Renaissance 
														stehen, nicht nur in 
														Deutschland. 
														
														
														Fazit  
														• Meinungsumfragen unter 
														Verkehrsfachleuten und 
														der Bevölkerung und 
														aktuelle Öl-Daten lassen 
														kräftige preisbedingte 
														Nachfrageanstiege von 19 
														bis 43 Milliarden 
														Personen-Kilometern (Pkm) 
														in den nächsten zehn 
														Jahren erwarten.  
														• Die Erfolge der 
														Bahnreform und der 
														zunehmende Wettbewerb 
														führen zu 
														angebotsseitigen 
														Nachfrage-Effekten von 
														26 bis 36 Milliarden Pkm 
														bis 2020.  
														• Die Verdopplung der 
														Nachfrage im 
														Personenverkehr bis zum 
														Jahr 2020 lässt sich 
														plausibel ableiten; eine 
														Untergrenze wäre ein 
														Zuwachs von 60 % bis 
														2020.  
														• Diese Überlegungen 
														sollten kurzfristig in 
														der Verkehrs- und 
														Bahnpolitik aufgegriffen 
														werden, um langfristig 
														vorausschauende 
														Entscheidungen treffen 
														zu können. 
														
														
														 
  
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